Der österreichische Notenbankchef Robert Holzmann fordert einen grundlegenden Kurswechsel der Europäischen Zentralbank (EZB). „Ich plädiere dafür, zu überprüfen, ob das bisherige Paradigma der EZB noch richtig ist,“ sagte das EZB-Ratsmitglied dem Handelsblatt. In den vergangenen zehn bis 15 Jahren habe die so genannte neo-keynesianische Sicht die Geldpolitik beherrscht. Auch Notenbanker, die sich kritisch zu Wort gemeldet hätten, würden dieses Paradigma nicht infrage stellen. „Bei mir ist es so, dass ich das Paradigma grundsätzlich infrage stelle“, so Holzmann. Er sei davon überzeugt, dass negative Zinsen keine nachhaltige Politik seien. Holzmann wurde von der früheren rechtspopulistischen Regierungspartei FPÖ als Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank durchgesetzt und trat Anfang September sein Amt an.
Der Notenbanker sieht unter der designierten ne uen EZB-Präsidentin Christine Lagarde zudem die Möglichkeit, das Inflationsziel der EZB von unter, aber nahe zwei Prozent zu ändern. Die Chancen dafür stünden nicht schlecht. „Die Revision des Inflationsziels wird stattfinden.“ Im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld ergebe es wenig Sinn, mit großem geldpolitischen Aufwand auf eine Inflation von knapp unter zwei Prozent zu kommen. „Diesen Ansatz der EZB halte ich für eine schlechte Politik“, sagte der 70-Jährige.
Holzmann kritisierte außerdem, dass die nationalen Notenbanken zu wenig Einfluss auf die geldpolitischen Entscheidungen der EZB hätten. „Die Macht der EZB beruht in hohem Maße auf der Fähigkeit mit ihren vielen Mitarbeitern in Frankfurt viele Papiere zu produzieren.“ Selbst für mittelgroße Notenbanken wie die Oesterreichische Nationalbank sei es unmöglich, alle Kommissionen der EZB personell zu bestücken. Von der designierten neuen EZB-Präsidentin Lagarde fordert Ho lzmann ein Umsteuern: „Ich erwarte, dass Lagarde einen Prozess in der EZB startet, der die nationalen Notenbanken stark einbinden wird.“