Ein Dämpfer des chinesischen Wirtschaftswachstums um einen Prozentpunkt durch das Coronavirus würde das Wachstum in Deutschland um 0,06 Prozentpunkte reduzieren, sofern die Epidemie ähnlich verläuft wie die SARS-Epidemie im Jahr 2003. Zu diesem Ergebnis kommen aktuelle Berechnungen des ifo Instituts. Allerdings spricht einiges dafür, dass die Corona-Epidemie gravierender ausfallen könnte. In diesem Fall würde die deutsche Wirtschaft auch stärker beeinträchtigt.
„Größere Produktionsausfälle in der chinesischen Industrie könnten die Auswirkungen des Coronavirus auf die deutsche Konjunktur spürbar verstärken“, erklärt ifo-Konjunkturexperte Timo Wollmershäuser und verweist auf die wichtige Rolle chinesischer Industriewaren für die Wertschöpfungsketten deutscher Industrieunternehmen. Chinesische Industriewaren haben einen Anteil von 9,4 Prozent an den deutschen Importen von Vorleistungsgütern. Die Effekte im restlichen Euroraum sind aufgrund der geringeren Verflechtung mit China deutlich kleiner und betragen nur 0,01 Prozentpunkte des BIP-Wachstums.
Bei den Berechnungen wird unterstellt, dass sich die Epidemie größtenteils in einer Konsumzurückhaltung in China niederschlägt und durch die großräumige Quarantäne der Bevölkerung das Arbeitsangebot eingeschränkt wird. Beides belastet die chinesische Konjunktur nur vorübergehend. „Die Auswirkungen auf den Konsum und die Industrieproduktion in China dürften bereits im ersten Quartal 2020 deutlich sichtbar sein“, erklärt Wollmershäuser.
Für diese Einschätzungen zieht das Team um Wollmershäuser Erfahrungen aus der SARS-Epidemie heran. Zwischen November 2002 und Juli 2003 infizierten sich nach Angaben der WHO etwas mehr als 5000 Personen in China. Zu einem deutlichen konjunkturellen Einbruch kam es erst im zweiten Quartal 2003. Der Anstieg des chinesischen Bruttoinlandsprodukts schwächte sich auf 0,9 Prozent gegenüber dem Vorquartal ab, nachdem die Wirtschaftsleistung zuvor noch um 2,9 Prozent zulegte. Bereits im dritten Quartal beschleunigte sich allerdings der Anstieg des chinesischen Bruttoinlandsprodukts wieder auf 3,7 Prozent. Damit kam es nur zu sehr kurzfristigen negativen Auswirkungen auf die chinesische Konjunktur. Dennoch dürfte Schätzungen zufolge die SARS-Epidemie das BIP-Wachstum im Jahr 2003 um etwa 1 Prozentpunkt gedämpft haben.
Allerdings ist nicht auszuschließen, dass der Ausbruch des Coronavirus gravierendere Folgen hat als die SARS-Epidemie. So liegt die Anzahl der Personen in China, die derzeit mit dem Coronavirus infiziert sind, bereits deutlich über der Anzahl der registrierten SARS-Fälle. Auch erfolgen die von der Regierung ergriffenen Maßnahmen schneller und sind zudem wesentlich umfassender. Deshalb könnte insbesondere die Industrieproduktion in China deutlich stärker unter den großräumigen Quarantänemaßnahmen leiden als bei der SARS-Epidemie.